Ich hoffe wirklich, wir finden in dieser Review gemeinsam heraus, ob ich die dritte Staffel von True Detective nun mochte oder nicht. Während mich einige Teile positiv überrascht haben, war ich von anderen so enttäuscht, dass mich die gesamte Serie zeitweise genervt hat. Ähnlich war es nach dem Ende: Kurz danach habe ich es verflucht, mittlerweile mag ich es. Fazit: Es ist kompliziert.

Kompliziert ist auch die Art und Weise, wie die Showrunner Nic Pizzolatto seine Geschichte in diesem Jahr erzählt. Über drei (später kommen noch zwei oder drei dazu) Zeitebenen hinweg entfaltet sich ein Kriminalfall im kargen Arkansas, nachdem die Geschwister Julie und Will Purcell plötzlich spurlos verschwinden. Im Jahr 1980 nehmen sich die (selbstverständlich) von Dämonen geplagten Ermittler Wayne Hays (Mahershala Ali) und Roland West (Stephen Dorff) dem Fall an, zehn Jahre später scheinen die beiden getrennt, das Rätsel aber noch nicht gelöst zu sein. In der aktuellsten Zeitebene, dem Jahr 2015, plagt sich der an Alzheimer erkrankte Detective Hays damit, sich an Details des Falles zu erinnern, als ihn ein Kamerateam einer True-Crime-Fernsehsendung zu den Ungereimtheiten der damaligen Ermittlungsarbeiten befragt. Carmen Ejogo als Hays‘ Liebesinteresse Amelia und Scoot McNairy als trauernder Vater Tom Purcell ergänzen den traditionell hervorragend besetzten Hauptcast. „Wouldn’t that be a story worth telling? Wouldn’t that be a story worth hearing?“, fragt ein Charakter gegen Ende der acht Episoden. Im Falle von True Detective würde ich antworten: Ja, ich bin an Bord.

Geht es um True Detective, sollten wir kurz — obwohl es bei einer Anthologie eigentlich keine Rolle spielen sollte — ein paar Worte über die Vergangenheit der Serie verlieren. Es gibt nur wenige, die so gar nichts mit der ersten Staffel mit Matthew McConaughey und Woody Harrelson anfangen konnten. Auch wenn ich vor allem im letzten Drittel so ein paar Kritikpunkte anmerken musste, war das atmosphärisch und schauspielerisch — Regisseur Cory Fukunaga sei Dank — schon großes Kino. Serienschöpfer Nic Pizzolatto wurde daraufhin zum Autoren-Wunderkind hochgejubelt und HBO wollte verständlicherweise so schnell wie möglich Nachschub. Und so kam dann Staffel 2 zustande, ein spaßbefreites, selbstverliebtes Stück Fernsehen mit zu vielen Charakteren und zu wenig Charakter. Was ich damit sagen will: Pizzolatto hatte etwas gutzumachen. Dazu kommt, dass er auch erstmal abschließend beweisen muss, eine ganze Staffel hinweg überzeugend abzuliefern. Ersteres hat er geschafft, das zweite nur zum Teil, weil ich finde, dass Staffel 3 an ähnlichen Punkten krankt wie schon die erste.

Damit sich etwas wie Staffel 2 nicht wiederholt, hat HBO Nic Pizzolatto, der auch in diesem Jahr wieder die Handlung komplett alleine geschrieben hat, den Deadwood-Verantwortlichen David Milch zur Seite gestellt. Seine Hilfe schlägt sich auf dem Papier allerdings nur dadurch nieder, dass er als Autor von Episode 4 aufgeführt wird, welche meiner Meinung nach lustigerweise auch den besten Dialog der Staffel zwischen Wayne und Amelia enthält. Optisch fallen die ersten beiden Folgen besonders auf, was daran liegen dürfte, dass Jeremy Saulnier Arkansas etwas schauriger zeichnet, als es später Daniel Sackheim und Nic Pizzolatto tun. Dies ändert jedoch nicht daran, dass insbesondere die vielen Zeitsprünge wirklich großartig gelöst sind. Was unglaublich verwirrend klingt, entpuppt sich auf diese Weise als angenehmes Erzähltempo.

Neben den ansprechenden Leistungen hinter der Kamera legen auch die Schauspieler wirklich großartige Leistungen hin. Im Mittelpunkt steht selbstverständlich der doppelte Oscar-Gewinner Mahershala Ali, dessen Talent in jeder Zeitebene niemandem verborgen bleibt. Seine Darbietung eines grauhaarigen Alzheimer-Patienten ragt mich Sicherheit heraus, weil nicht nur in seinem perfekt geschminkten und maskierten Gesicht so viel passiert, sondern sein ganzer Körper plötzlich wirklich um 35 Jahre gealtert wirkt. Hays‘ Partner Roland West wirkte anfangs wie der klassische Sidekick, hat sich nicht zuletzt dank Stephen Dorffs Performance, der sichtbar Spaß an der Rolle hatte, aber schnell zu meinem Lieblingscharakter gemausert. Auch Scoot McNairy traue ich ohne Zweifel eine Emmy-Nominierung zu. Carmen Ejogo macht das Beste aus der eigentlich interessanten Amelia, die leider — wie bisher alle von Pizzolattos Frauenfiguren — das schwächste Material bekommt. Ein Kritikpunkt, den man angesichts der mal wieder sehr weißen, männlichen Crew hatte kommen sehen.

Ebenso muss man sich wohl damit abfinden, dass Pizzolatto gewisse Klischees einfach als gesetzt für seine Kriminalgeschichten ansieht. Auch in diesem Jahr sind seine Detektive wieder Säufer und Kettenraucher und klären so manche Vernehmung auch gerne mal „off the book“. Dazu sind sie natürlich erneut von persönlichen Schicksalen geplagt: Hays war in Vietnam, West ist einfach nur einsam. Lange Autofahrten, bei denen der Beifahrer apathisch aus dem Fenster starrt, inkompetente Polizistenkollegen sowie okkulte Verschwörungstheorien gehören wohl einfach zum Inventar von True Detective. Humor wird äußerst spärlich eingesetzt, was der Serie eine Schwere verleiht, die sie an einigen Stellen erdrückt.

Aufmerksamen Lesern dürften sich bereits die Frage gestellt haben: Die beiden Detektive, das Setting, die verschiedenen Zeitebenen — klingt das nicht verdächtig nach Staffel 1? Meine Antwort darauf: Ja, tut es. Und nein, besonders schlimm finde ich das gar nicht. Die dritte Staffel weist nämlich sehr wohl gewisse Unterschiede auf, vor allem was das Setzen von thematischen Schwerpunkten angeht. Dadurch, dass Hays ein Afroamerikaner ist, ist Rassismus eines der Themen, die immer wieder aufkommen. Manchmal recht offensichtlich, oft aber auch sehr unterschwellig werden wir Zeuge, wie die Bewohner von Arkansas Hays als Ermittler anders behandeln als seinen weißen Kollegen West. Es gibt Momente, in denen Hays das einfach über sich ergehen lässt, und die, in denen er Konter gibt: „And you, how you gonna wear that badge?“, fragt ihn ein schwarzer Charakter. Hays antwortet daraufhin nur trocken: „It’s got a little clip on it.“ Zusätzlich zum Rassismus sind auch Erinnern und Vergessen wiederkehrende Motive in de Geschichte. Gerade im Jahr 2015, meiner liebsten Zeitebene, ist es faszinierend, wie die Serie es schafft, eine insgesamt spannende Geschichte zu erzählen, obwohl wir wissen, dass sich der Hauptteil des Falles bereits vor 35 Jahren abgespielt hat. Doch gemeinsam mit Hays erkranken wir an Alzheimer und versuchen mit jedem Hinweis, die Vergangenheit zu deuten.

Zum Fall an sich will ich gar nicht viel sagen. Es gibt Verdächtige und falsche Fährten wie in jedem anderen Krimi auch. Ich finde, dass recht schnell klar ist, welche Personengruppe mit dem Verschwinden der Kinder zu tun haben muss. Das mögen einige störend finden, ich aber nicht, da deren Motivation ein immer noch ausreichend gutes Mysterium darstellt. Durch den Fokus auf Figuren in verschiedenen Zeitebenen und deren Motivationen hat man ohnehin den Eindruck, der Serie wären ihre Figuren wichtiger als ihr Puzzle. Ich muss zugeben, dass mir diese Erkenntnis auch erst nach dem Finale kam, welches dadurch nun so viel mehr Sinn ergibt als zuvor. Ich muss ehrlich sagen: Ich mochte es. Ich kann aber verstehen, wieso einige von der Anzahl an nachträglichen Fragezeichen enttäuscht waren.

Mochte ich die dritte Staffel von True Detective nun oder nicht? Ich denke, im Vergleich zu Staffel 2 waren die aktuellen acht Folgen ein großer Schritt nach vorne. Gleichzeitig glaube ich, dass die Serie bei mir nie das ganz große Jubeln auslösen wird, weil sie dafür einfach zu sehr auf Klischees setzt und nach wie vor ein großes Problem mit weiblichen Figuren hat. Dennoch hatte ich Woche für Woche Spaß beim Zuschauen und Miträtseln, fand die Charaktere und ihre Darsteller unterhaltsam und mochte die charakterfokussierte zweite Hälfte des Finales. Obwohl noch immer ausrechend Luft nach oben ist, sei Nic Pizzolatto also nach der enttäuschenden Staffel 2 mit seiner Geschichte des Vergessens vergeben.

Mein Urteil: 7,5 von 10 verbogenen Fahrrädern.

 

Wie fandet ihr die dritte Staffel von True Detective?

Schreibt’s mir gerne drunter in die Kommentare oder drüben bei Twitter @dennisderdoedel.