Dass der Plan von Jimmy und Kim schiefgeht, haben viele erwartet. Aber wie genau, das kam überraschend – sowohl für uns als auch für die Partner in Crime. Wie geht’s nun weiter nach so einem Schock?

Es war, als würden sich Peter Gould, Vince Gilligan und Co. direkt an uns richten. „You can’t rush the process“, sagt Filmstudent und Jimmys Haus- und Hofregisseur Joey Dixon, als er die inszenierten Fotos vom falschen Schnauzbart-Richter entwickelt. Es ist der letzte Schritt des mehrwöchigen Plans, Howard zu Fall zu bringen. Ein Plan, der die Figuren viel Vorbereitungszeit und einigen Fans viel Geduld gekostet hat – und einer, der in der Folge „Plan and Execution“, seinen Höhepunkt erreicht.

Auf das Wort „Höhepunkt“ können wir uns einigen, oder? Für mich gehört die Dreiviertelstunde, die Tom Schnauz geschrieben und inszeniert hat, definitiv zum Besten, was diese Serie je gezeigt hat, zusammen mit „Five-O“, „Chicanery“, „Bagman“ und Co. Der passende Abschluss einer Staffelhälfte, die von Beginn an auf eine Katastrophe zugesteuert ist, nur war niemandem klar auf welche. Vor ein paar Monaten hätte man sich vorstellen können, dass Nachos unausweichliches Ende ein passender Schocker wäre, um die Zuschauer in die Sommerferien zu schicken. Das war falsch. Dann schien alles auf einen Showdown zwischen Gus und Lalo hinauszulaufen. Falsch. Der Bruch zwischen Jimmy und Kim? Auch falsch.

Ja, ich hatte ein wenig mit Howards Tod gerechnet. Ich habe vermutet, die Tierarztdroge könnte ihm nicht bekommen, womöglich ein Herzinfarkt? Nun ja, das Ergebnis stimmt zwar, aber der Rechenweg nicht. Hätte man die Rechnung vor der Staffel gemacht und wäre zu dem Ergebnis gekommen, das uns jetzt aufgetischt wurde, nämlich dass Howard stirbt, erschossen von Lalo? Wir hätten mittendrin abgebrochen – zu unwahrscheinlich. Das waren zumindest meine Gedanken unmittelbar danach.

Okay. Let’s talk.
— Lalo

Ich will in der Woche nach „Plan and Execution“ nicht mehr zu sehr ins Detail gehen, was die letzte Szene angeht, weil sie sich euch mit Sicherheit so eingebrannt hat wie mir. Die Momente, in denen einen das Drehbuch gleich zweimal foppt. Einmal, weil erst nicht Lalo vor der Tür steht, sondern Howard. Und zweimal, weil er dann doch auftaucht, trotz Howard. Die Kerze flackert dabei jedesmal, als hätte ein Geist Jimmy und Kims Apartment betreten. Erst das Gespenst, das sie selbst gerufen haben, nämlich Howard, den sie so lange malträtiert haben, bis er ruiniert und mit Wut im Bauch an der Tür klopft. Und dann der Geist von Albuquerque, der neuerdings in der Kanalisation haust und geräuschlos über Böden schwebt, als hätte er sein fleischliches Ich längst verlassen.

Kein Wunder, dass Jimmy und Kim passenderweise auch reagieren, als spazierte ein Geist durch die Tür. Jimmy, weil er Lalo ja tatsächlich für tot gehalten hat, und Kim, weil sie ihren persönlichen Chuck-Moment erlebt. Die Konsequenzen ihres Handels sind plötzlich da, sie stehen ihr gegenüber und drehen gerade einen Schalldämpfer auf ihre Waffe. Was passiert, geht auch auf ihre Kappe. Howard stirbt, sein Blut spritzt bis auf das Bild, auf dessen Rückseite Kims Post-Its kleben, mit denen sie akribisch geplant hat, wie sie sich an ihrem ehemaligen Chef rächen kann. Jimmy ist genauso schuldig, klar, aber Kim ist diejenige, die immer wieder an ihrem Vorhaben festgehalten hat, trotz einiger Hürden. Letztendlich war ihr keine zu hoch und das Einzige, was gefallen ist, ist Howard.

You can’t hide who you really are forever.
— Howard

Howards Tod gehört jetzt schon zu den tragischsten des Serienuniversums, weil er so sinnlos war. Ausgangspunkt waren Konflikte, die sogar die Macher:innen und ihre Figuren in Erklärungsnot gebracht haben. Warum Howard? Warum diese Bösartigkeit? Die Motive von Jimmy und Kim sind, wie wir wissen, vielschichtig. Die Projektion von eigenem Leid und Trauer auf den gebräunten Glitzeranwalt mit den hamlindigoblauen Anzügen, aufgestaute Frustration aus der Vergangenheit, das mit dem Streich verbundene Kickerlebnis – für alles gibt es Erklärungen, teilweise auch nachvollziehbare, doch keine rechtfertigt das, was passiert ist.

Howard war – gerade in dieser Staffel – ein Mann, der an sich gearbeitet hat. Im Gegensatz zu vielen Figuren aus dieser Welt ist er nicht versunken im Strudel des Bösen, er hat stattdessen stets nach dem Rettungsring gegriffen. Er sagt es selbst in seinem sagenhaften letzten Aufbäumen, dem Monolog, in dem er Jimmy und Kim den Spiegel vorgehalten hat: Höchstwahrscheinlich würde Howard auf seinen Füßen landen. Mal wieder, schließlich habe er schon Schlimmeres durchgestanden. Schulden, Eheprobleme, sogar die Zeit nach Chucks Tod, für den er sich schuldig fühlte. Ein Gefühl, mit dem ihn Jimmy damals leben ließ. Jetzt ist Howard selbst das verwehrt.

Die Macher:innen haben die Tendenz, ihren Figuren regelrechte Abschiedsfolgen zu gewähren. Nachos biblisches Goodbye ist allen noch in Erinnerung, auch Chucks elektrosensitiver Rückfall bekam so viel Sendezeit, dass man sein Ende ein Stück weit kommen sah. Ähnlich ist es in Breaking Bad: Hank durfte Walt die Handschellen umlegen, Gus und Hectors Fehde ging explosiv zu Ende und Walt kehrte ein letztes Mal nach Albuquerque zurück. Howards Abschied ist ähnlich, weil er auch Story-Sicht als jemand geht, der den Plan jederzeit durchschaut hat – und die Menschen, die ihn in die Tat umgesetzt zu haben. Es führt zu weit, jeden Satz aus seinem Monolog zu sezieren, wichtiger ist ohnehin, wie er diese Sätze spricht. Patrick Fabian gelingt dabei ohne Frage der schauspielerische Höhepunkt dieser Staffel: Howard ist genervt, aber nicht blind vor Wut. Er ist emotional, aber nicht kopflos. Kurz: Er ist der Howard, den wir kennengelernt haben. Ein guter Typ und noch besserer Punching Bag. Für Jimmy und Kim und – zumindest einige Staffeln lang – für das Publikum, das ihn erst in dieser Staffel so richtig zu fassen bekam.

Is this how these usually go?
— Irene

Während Lalo das Gespenst dieser Folge war, so wird in der zweiten Staffelhälfte die Erinnerung an Howard durchs Leben von Jimmy und Kim spuken. Die langfristigen Konsequenzen für Jimmy kennen wir: Er lebt wie Saul Goodman, vollständig und ohne Kim, so wie es scheint. Howards Tod könnte also der Anfang vom Ende der beiden sein, den wir so lange gesucht haben. Langfristig jedenfalls. Kurzfristig bin ich mir da nicht so sicher. Aber der Reihe nach…

  1. Was will Lalo?
    Lalo steht im Wohnzimmer von Jimmy und Kim. Er ist damit das dringendste Problem, das die beiden lösen müssen. Sie sind so eingeschüchtert, dass auf kurze Sicht keine Tricks zu erwarten sind, also werden sie tun, was er sagt. Lalo braucht weiterhin einen Beweis dafür, dass Gus‘ Superlab die Cartel-Geschäfte bedroht. Sein Problem ist, dass er nicht einfach so reinspazieren kann. Ich schätze also, dass Lalos Plan darauf abzielt, „Michael“ und seine Männer zum Rückzug zu bewegen, sodass die Wäscherei unbewacht ist. Wie könnten Jimmy und Kim dabei helfen? Sie könnten die Polizei auf den Bau aufmerksam machen – oder es zumindest so aussehen lassen.
  2. Wie reagieren Gus und Mike?
    Mike hat seine Männer von Jimmy und Kim abgezogen („low priority“), nur so konnte Lalo dort ungestört aufkreuzen. Dennoch ist deren Wohnung noch auf Mikes Liste, früher oder später dürfte er also Wind bekommen, dass dort etwas passiert ist. Möglich ist, dass Mike Kontakt zu den beiden aufnimmt, während sie Lalos Plan in die Tat umsetzen. Es wäre eine coole letzte Arc der Serie, an der alle Figuren beteiligt wären: Jimmy und Kim arbeiten für Lalo, in Wahrheit aber als Doppelagent:innen. Auf Gus‘ Befehl hin und mit Mikes Hilfe könnten sie Lalo in eine Falle tappen lassen, womöglich im Superlab. Was ein wenig dagegenspricht: Jimmy hat in Breaking Bad noch immer die Angst, Lalo würde ihn jagen. Das legt irgendwie nahe, er wüsste nicht über sein Schicksal Bescheid – könnte man aber sicher auch anders drehen.
  3. Was passiert mit Howards Leiche?
    Wenn Lalo die Leiche nicht selbst wegschafft, scheint es wahrscheinlich, dass Mike den Tatort reinigt. So lernen wir ihn immerhin in Breaking Bad kennen, als er Jesses Apartment nach Janes Tod saubermacht. Wie Howards Tod für den Rest der Welt verkauft wird, ist ebenfalls interessant. Die Wunde am Kopf, die Blamage in der Verhandlung, das Auffliegen der vermeintlichen Drogensucht – man könnte den Tod einigermaßen plausibel wie einen Selbstmord aussehen lassen. In jedem Fall wird es spannend sein, wie Cliff auf die Nachricht reagiert. Die Folge hat es recht eindeutig gemacht, dass Cliff Howard grundsätzlich glaubt, aber das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Er könnte insbesondere für Kim zur Bedrohung werden, schließlich ist sie nie bei dem von ihm eingefädelten Termin in Santa Fe aufgetaucht. Cliff hatte rückblickend eine so überraschend große Rolle – ich wäre überrascht, wenn er einfach so ausscheiden würde.

Mittel- bis langfristig sehe ich die Handlung also auf ein paar Eckpfeiler zusteuern: Jimmy und Kim erledigen, was Lalo ihnen befielt, doch Mike und Gus schaffen es, dass Lalos Plan nicht vollständig aufgeht. Mike könnte zwischen beiden Parteien vermitteln und am Ende dafür sorgen, dass Lalo in eine Falle läuft. Parallel könnte Cliff Kim verdächtigen und und gegen Ende einer der Gründe sein, warum sich Jimmy und Kims Wege trennen.

Mir gefällt diese grobe Theorie vor allem deshalb so gut, weil sie mehrere Dinge auf einmal erklären würde: Einerseits die Beziehung zwischen Jimmy und Mike in Breaking Bad, weil Mike mit dem Wissen für ihn arbeiten würde, durch welche Hölle Jimmy wegen Lalo gegangen ist. Er hätte sich den Respekt bei ihm erkämpft, den er vorher nicht hatte. Andererseits die Trennung von Jimmy und Kim: Durch die Falle für Lalo könnte Kim, die damit an zwei Todesfällen in kurzer Zeit beteiligt war, einsehen, dass diese Welt nichts für sie ist. Sie könnte Jimmy verlassen wie ihre Mutter, diesmal aber mit dem Gefühl, das Richtige getan zu haben. Und Jimmy, der könnte dadurch einsehen, dass er genau in diese Welt gehört, weil er gut ist in dem, was er macht.

Die Theorie beschränkt sich natürlich nur auf die Haupthandlung. Die vorherzusagen, ist nicht ganz leicht, weil wir noch keine Ahnung haben, wie viel Raum sie überhaupt einnimmt. Es kann durchaus sein, dass wir nur noch drei Episoden in Albuquerque bleiben und dann nach Omaha umziehen. Es würde der Struktur von Breaking Bad entsprechen, wo der Höhepunkt („Ozymandias“) in der drittletzten Episode abgefeuert wurde, die letzten beiden waren mehr eine Art Epilog. Unklar ist auch, wie ausführlich die Breaking-Bad-Timeline angegangen wird. Könnte in einer Montage passieren, in mehreren Openings, aber auch in ganzen Folgen. Müsste ich tippen, würde ich sagen:

  • E8–10: Ende der BCS-Timeline mit Lalos Tod und Jimmy und Kims Trennung
  • E11: BrBa-Timeline, Übergang zu Gene
  • E12–E13: Omaha-Timeline

Dass die Story mit Gene enden wird und das auch nicht zu knapp, darauf deuten die beiden Mini-Teaser hin, die wir bekommen haben. Der Eine zeigt eine Kleiderstange, bei der nur das letzte Outfit fehlt. Das Motiv, dass sich Schwarz-Weiß-Gene ein farbiges Jacket entweder an- oder auszieht, das sahen wir ja scho auf dem Poster. Mein Tipp: Um sich aus dem Schlamassel mit Taxifahrer Jeff zu befreien, schlüpft Gene ein letztes Mal in die Rolle von Saul Goodman – und kommt so zu einer Realisation, wer er wirklich ist. Der andere Teaser zeigt das schwarz-weiße Apartment von Jimmy und Kim und Bob Odenkirk sagt: „So, after all that, a happy ending.“ Das lässt einen zumindest mal drüber nachdenken, wie ein Happy End in Better Call Saul überhaupt aussehen könnte. Ein Wiedersehen mit Kim? Es gibt ja noch den Anruf. Ich glaube, für Gene würde es als Happy End durchzugehen, wieder etwas Farbe in sein Leben zu bekommen, buchstäblich. Womöglich streift er sich ja auch nicht das Sakko von Saul Goodman um, sondern das von Jimmy McGill? Von dem Typen, der für eine kurze Zeit eine Berufung gefunden hat, als Anwalt von Senior:innen? So oder so, Gene wird uns noch beschäftigen, vermutlich länger als viele erwarten.

Ein paar Details und Auffälligkeiten:

  • „Plan and Execution“ war nicht nur dramatisch. Es gab einen Moment, der mich so laut hat lachen lassen, wie lange nicht mehr. Stichwort: Schnauzer. Einfach perfekt.
  • In dem Zuge sei auch der phänomenale Tracking Shot gelobt, als Jimmy, Kim und unsere heiß geliebte Kameracrew Regie führen für ihr Foto-Kunstwerk.
  • Irene feiert das überraschendste Comeback seit… den Kettlemans? Ich habe mich gefreut, sie wiederzusehen, hatte aber auch Angst um sie, schließlich hantiert Howard mit Tassen und einer mit Drogen versetzten Flüssigkeit. Ich habe schlimme Sachen kommen sehen.
  • Wüsste ich nicht um das Drama, dass Rhea Seehorn noch nie für einen Emmy nominiert war, würde ich jetzt lauthals Patrick Fabian fordern. Dieser Monolog, was für eine Leistung.
  • Schön auch, dass Chuck eine kleine Rolle gespielt hat, dank seines Life Hacks. Ich bete, dass wir noch ein Opening mit ihm bekommen und halte das auch nicht für unwahrscheinlich, weil Chuck weiterhin über allem schwebt, auch drei Staffeln nach seinem Tod – ein weiterer Geist von Albuquerque.

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