Eins muss man James Corden lassen: Er hat die Marke The Late Late Show in den letzten Jahren richtig groß gemacht. Durch Erfolgsrubriken wie „Carpool Karaoke“ oder „Spill Your Guts or Fill Your Guts“ landete Corden virale Hits, von denen seine Vorgänger Tom Snyder, Craig Kilborn und Craig Ferguson nur träumen konnten. Na ja, die ersten beiden litten sehr darunter, direkt nach dem großen David Letterman zu laufen, und konnten sich aus diesem Grund auch nie so wirklich auszeichnen. Ferguson schaffte das, allerdings bezweifle ich, dass er — ähnlich wie Letterman selbst übrigens — große Lust auf diesen Mainstreamerfolg hatte, wie es Corden jetzt hinkriegt. Seine Show war ungewöhnlich, einzigartig, manchmal noch nicht einmal besonders lustig. Er machte den Eindruck, dass er das Genre Late Night an sich ablehnt. Umso bemerkenswerter ist es, was dem Schotten in seinen neun Jahren als Host der Late Late Show gelungen ist. In seinem letzten Monolog sagte er: „What I was trying to to here—and what I think we’ve managed to do here—is make something that wasn’t here before.“ Er hat’s geschafft.

Wer sich ein bisschen mit Craig Ferguson beschäftigt — und das sollte man tun, ich habe seine Autobiografie American On Purpose mittlerweile zweimal gelesen — weiß, dass es tatsächlich nie sein Plan war, einmal eine Late-Night-Show zu moderieren. Ferguson ist im schottischen Glasgow aufgewachsen und hatte deshalb noch nicht einmal Zugang zum großen Johnny Carson, auf den sich von David Letterman über Conan O’Brien bis hin zu Jimmy Kimmel noch heute so gut wie jeder beruft. Als es um die Nachfolge von Craig Kilborn ging, fiel Ferguson den CBS-Bossen dann auf, als er sich in einer Art Übergangsphase als einer der Guest Hosts ausprobieren durfte. Von dem Moment an, als man ihm das Angebot machte, hatte Ferguson Bock auf die Aufgabe — nicht aus Nostalgie, weil er irgendeinem Idol nacheiferte, sondern aus der Liebe zu Comedy, ob seine spezielle Art nun bisher in diesem Genre existiert hatte oder nicht.

Dementsprechend untypisch darf man sich eine Folge der Late Late Show with Craig Ferguson vorstellen. Die Rolle des Sidekicks — traditionell ein weißer, dicklicher Mann, der dafür bezahlt wird, hin und wieder witzige Dinge von der Seite einzuwerfen — nimmt beispielsweise ein schwules Roboter-Skelett namens Geoff Peterson ein, der seinen schottischen Boss — wohlgemerkt vollkommen spontan — besser unterstützt, als jedes menschliche Wesen es je könnte. Auch eine Band sucht man in Fergusons Show vergeblich. Zu Beginn konnte man diesen Umstand wohl tatsächlich noch auf Kostengründe schieben, später hätte ihm der Sender seine Band, deren Fehlen irgendwann zum Running Gag wurde, mit ziemlicher Sicherheit gegönnt. Ferguson hatte aber viel mehr Lust darauf, aus jeder Werbepause mit zwei Typen in einem Pferdekostüm in die Show zurück zu tanzen.

Spricht man über Fergusons Stand-Up, muss man — neben dem besten Katzengag aller Zeiten — eigentlich nur zwei Beispiele nennen, die seinen — im wahrsten Sinne des Wortes — Stil perfekt illustrieren. Das eine ist sein berühmter Monolog über Britney Spears und darüber, dass er es bereut, sich über ihre Drogenexzesse lustig gemacht zu haben. Über Ferguson muss man wissen, dass er selbst sehr lange alkoholabhängig war. Das führte so weit, dass er sich beinahe das Leben genommen hätte. In dem Monolog erzählt er, dass er kürzlich seinen 15. Jahrestag als trockener Alkoholiker gefeiert habe und sich auf diese Weise mit Britney Spears verglichen habe. Er kam zu dem Ergebnis, dass er sich selbst in der exakt gleichen Situation befunden hatte, aus der er sich nur mit der Hilfe anderer befreien konnte, welche er im Falle von Britney nirgends kommen sah. Ich finde, dass diese Haltung in Zeiten, in denen wir darüber diskutieren, ob man über Louis C.K.s neues Set noch lachen darf oder ob Annegret Kramp-Karrenbauer Witze über Minderheiten machen darf, so unglaublich aktuell ist. Ich halte es da mit Ferguson: Ein Witz ist dann gut, wenn er lustig ist. Nicht dann, wenn er formal viele Kriterien erfüllt, die ihn eigentlich witzig machen sollten, aber der Kontext nicht passt. Ein anderes Beispiel für Fergusons starkes moralisches Gewissen ist seine Reaktion auf die Explosion auf dem Boston Marathon, als er auf Gags komplett verzichtete: “If I have all this rage and anger and distress and upset inside of me, I’m not good enough of a comedian to hide that from you.”

Würde man mich fragen, welches mein Lieblingssegment einer jeden Ausgabe der Late Late Show ist, würde ich sagen: die Interviews. Das hat den einfachen Grund, dass ich Craig Ferguson nicht nur für den besten Interviewer im Late-Night-Bereich halte, sondern generell im Showgeschäft. Ich kenne keinen Menschen, der mit einer solchen Vielzahl von Menschen so schnell ein lockeres Gespräch führen kann — und das alles ohne Moderationskarten oder irgendwelche Rahmeninfos, die er vor jedem Interview demonstrativ ich Fetzen riss und hinter sich warf. Man hatte einfach das Gefühl, die Show würde die Pre-Interviews, die normalerweise hinter den Kulissen stattfinden („The preinterview is a formality like wearing a tie or underpants“), einfach in die Sendung verfrachten. Prominente wie Kristen Wiig, Kristen Bell oder Betty White saßen gefühlt alle paar Wochen auf seinem Stuhl, einfach weil sie so einen Spaß hatten mit Ferguson zu plaudern. Mein Lieblingsgast war immer Mila Kunis, die er sogar in seine Heimat nach Schottland mitnahm. Craig Fergusons  prägendstes Interview war aber ohne Zweifel das mit Archbishop Desmond Tutu. Er selbst sagte mal in einem Interview, dass er die Show nur in Sendungen vor und nach diesem Interview einteilt. Wenn man sich mal die ganze Episode anschaut, weiß man, warum er dafür später mit einem Peabody Award ausgezeichnet wurde.

The Late Late Show with Craig Ferguson war keine Late-Night-Show, es war eine Dekonstruktion einer Late-Night-Show. Sie war und ist gemacht für Fans des Genres sowie für Leute, die es normalerweise hassen. Craig Ferguson hat es geschafft, denn sowas gab es wirklich noch nicht.

Ich kann euch nur ans Herz legen selbst mal reinzuschauen. Das geht glücklicherweise aktuell noch sehr einfach, da es schon seit Jahren ein unfassbar großes Repertoire an ganzen Folgen auf YouTube gibt. Der Tag, an dem dieses Archiv offline genommen wird, wird ein sehr trauriger.

 

Seid ihr auch Fans von The Late Late Show with Craig Ferguson?
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