Dass ich jetzt zwei Folgen auf einmal reviewen werde, hat nur wenig mit Faulheit zu tun, sondern eher damit, dass ich nach dem Piloten wirklich nicht wusste, was ich dazu groß schreiben soll. Selten hat mich die erste Folge einer Serie so verwirrt, normalerweise sind diese ja so konzipiert, dass man sich möglichst schnell und einfach an die Story und die Charaktere gewöhnt. Aber nicht American Gods. Die Serie ist auf so vielen Ebenen anders und das ist bei den ganzen Serien wie Better Call Saul, The Americans und The Leftovers, die gerade laufen und sich mit recht realen Problemen befassen, doch auch mal sehr schön.

Viel zum wirklichen Inhalt dieser Serie kann ich auch noch nach zwei Folgen jetzt noch gar nicht wirklich sagen. Ich habe das Buch, das den Machern um Bryan Fuller, David Slade und Michael Green als Vorlage dient, nicht gelesen, bin also mit völlig weißer Weste hineingegangen. Ersten Reaktionen, man würde sich absolut nicht auskennen, muss ich jedoch ein bisschen den Wind aus den Segeln nehmen. Wir haben mit Shadow einen von Anfang an relativ klaren Hauptcharakter, der sich recht schnell mit übernatürlichen Menschen, Situationen und Visionen konfrontiert sieht. Allein aus dem Titel der Serie kann man folgern, dass es sich bei den Figuren, die wir nach und nach kennenlernen, um Götter handelt, die auf die Erde zurückkehren. Unter ihnen gibt es scheinbar alte Götter und neue Götter, die miteinander im Konflikt stehen. Soviel zur Ausgangssituation.

Shadow, der sich zu Beginn noch im Gefängnis befindet, dann aber entlassen wird und in seinem Privatleben einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen muss, lernt recht schnell den etwas eigenartig daherkommenden Mr. Wednesday kennen. Dieser wird von Ian McShane in absoluter Weltklasse-Form verkörpert und nimmt nicht nur Shadow, sondern auch uns als Zuschauer ein wenig in die Hand, diese Welt ein bisschen besser zu verstehen. Auch wenn nicht ganz klar ist warum, will Mr. Wednesday Shadow als seinen persönlichen Assistenten. Auch die Antwort, wozu er ihn braucht und auf welcher Mission er genau ist, können die ersten zwei Folgen noch nicht beantworten. Es entfaltet sich dann recht schnell eine Art Roadtrip, der gelegentlich durch Flashbacks zurück in die Gründungsgeschichte der USA, rätselhafte Traumsequenzen und Aufeinandertreffen mit anderen Gottheiten unterbrochen wird.

Eine dieser anderen Götter ist anscheinend Bilquis, die in ihren ersten beiden Szenen gleich mal für die wohl verstörendsten Sex-Szenen in der Seriengeschichte sorgt. Um ihr jugendliches Aussehen zu erhalten, lockt sie ihre Sexualpartner in ihr Bett, um sie dann qualvoll in ihrer Vagina verschwinden zu lassen. Ja, verstörend ist ein ganz gutes Wort dafür. Es bleibt aber natürlich nicht bei ihr, wir lernen auch Mad Sweeney – genannt „Leprechaun“ – kennen, der unseren Hauptcharakter Shadow in der Pilotepisode nach ein paar Münztricks in eine äußerst physische Barschlägerei verwickelt. Der erste Gott, bei dem wir wirklich wissen, dass es sich um einen neuen Gott handelt, ist Technical Boy, der gegen Ende der ersten Folge auftaucht. Er befindet sich in einer Art virtuellen Realität und feindet Shadow richtig dafür an, sich Mr. Wednesday angeschlossen zu haben. Hier gewinnen auch wir zum ersten Mal etwas mehr Einsicht dahingehend, was mit diesem Konflikt unter den Göttern gemeint ist.

Mein bisheriger Lieblingsgott ist dann in Episode 2 nämlich auch Media, eine neue Göttin. So wie ich das verstanden habe, taucht sie im Buch nicht auf und ist ein Versuch der Macher, den Stoff näher an unser aktuelles Leben zu ziehen. Auch sie kann ähnlich wie Technical Boy nicht verstehen, warum man sich heute noch an die alten Götter wendet, sie hält sich aber in ihrem ersten Auftritt noch etwas zurück und hetzt Shadow nicht sofort eine Schläger-Kolonne auf den Hals. Der Großteil der zweiten Folge dreht sich aber um den slawischen Gott Czernobog, den Mr. Wednesday und Shadow aufsuchen, um einen noch nicht näher bekannten Gefallen getan zu bekommen. Czernobog nennt den von Ian McShane gespielten Charakter hier auch erstmals „Votan“ und wir können schlussfolgern, dass es sich bei ihm tatsächlich um den wahrhaftigen Göttervater handelt, der übrigens auch dem Mittwoch seinen Namen gegeben hat.

Wir kommen nicht umhin, ohne auf die wahnsinnig intensive und faszinierende Bildsprache zu verwenden, die natürlich sehr an Bryan Fullers letztes großes Werk im Serienbereich erinnert, die NBC-Dramaserie Hannibal. Übergänge wie die Pusteblume, die am Himmel vom Blitz getroffen wird, Gegenstände wie der blutende Hammer von Czernobog und Traumsequenzen wie die von Shawdow, als ihm ein Büffel mit brennenden Augen begegnet, sind atemberaubend inszeniert und ziehen einen total in ihren Bann. Die Fragen nach dem Sinn und Zweck dieser Darstellungen stellen sich uns hier in erster Linie gar nicht, man lässt sich voll drauf ein und so entsteht dieses jetzt schon sehr gewohntes Sehgefühl, das beim Schauen dieser Serie aufkommt. Die Musik mit ihren langgezogenen und teilweise schrillen Klängen und das atmosphärische Intro tun da ihr Übriges dazu.

Ein paar Probleme sehe ich noch bei unserer Hauptfigur, der ab und zu ein paar ganz amüsante Textzeilen hatte, größtenteils aber noch sehr zurückhaltend und unauffällig agiert. Das liegt zu diesem Zeitpunkt wohl auch noch ein bisschen an Hauptdarsteller Ricky Whittle, dem es für mich noch nicht so richtig gelingt, uns mitzureißen, obwohl es eigentlich schon so kleine Gelegenheiten gab, bspw. als er Trauer bzgl. seiner Frau zeigen konnte. In dem Zusammenhang steht auch die meiner Meinung nach bisher schwächste Szene in diesen beiden Folgen, nämlich als Shadow am Friedhof der Frau seines besten Freundes begegnet. Das passt für mich alles gar nicht zu der sonstigen Atmosphäre und auch nicht zu Thematik und es ist auch nicht klar, inwieweit diese Szene die Handlung vorantreibt.

Alles in allem bin ich trotz aller Verwirrung und Unklarheiten, die bei American Gods wohl auch gewollt sind und Teils des Konzepts sind, sehr optimistisch, dass wir auch die nächsten sechs Folgen sehr gut – und vor allem mal komplett anders – unterhalten werden. Mir gehts da wie so vielen, es fällt einfach extrem schwer, nicht an den Erfolg dieser Serie zu glauben, wenn man sich mal vor Augen führt, wieviel Talent da hinter und vor der Kamera zu sehen ist. Denn wenn einen die Handlung auch in den nächsten Folgen nicht mitreißen kann, so bleibt einem immer noch die Möglichkeit, die Serie als Entspannung für Augen und Ohren zu schauen oder sich einfach nur an Ian McShane zu ergötzen.

Aber gerade dieser Streit unter den Göttern und die damit einhergehende Frage, was Amerika in diesen Tagen überhaupt noch zusammenhält, erscheinen mir hochaktuell und ich hoffe sehr, dass die Handlung diese philosophische Schiene bald noch stärker bedient. Haben die alten Götter, die die Grundtugenden wie Werte und Normen, aber auch so manche verstaubte Weltanschauung vertreten, wirklich ausgedient? Und sind Technologie und Medien wirkliche Ersatz-Götter, können sie unsere Grundfragen an das Leben beantworten oder garantieren sie uns nur kurzfristige Befriedigung? Vielleicht liefert American Gods ja Antworten.