Als uns in den ersten Sekunden von Babylon Berlin mit hypnotischer Eindringlichkeit zugeredet wird, wir sollten ganz ruhig ein- und ausatmen und einfach loslassen, dann könnte man das fast schon als letzten Schritt der riesigen Werbekampagne von Sky zum Start ihres Prestigeprojekts sehen. Wir sollen all das Gerede, all die verfrühten Lobpreisungen und Verteufelungen für einen Moment vergessen, denn die Zeit des Werbens ist vorbei, jetzt muss und darf das Produkt Babylon Berlin endlich Taten folgen lassen.

Und das hat die Serie auch geschafft. In einem überraschend geduldig erzählten Piloten, der mit einer Laufzeit von knapp 90 Minuten daherkommt, deutet Babylon Berlin ganz vorsichtig ein Potenzial an, das seine koproduzierenden Sender Sky und die ARD besser heute als morgen ausgeschöpft sehen wollen dürften. Ob es so weit kommt und ob uns das äußerst talentierte Team auf den Regie- und Autorenstühlen um Tom Tykwer tatsächlich ein Aushängeschild der deutschen Serie bastelt, werden wir wohl erst in ein paar Monaten beantworten können. Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt erstmal nur zu sagen, dass zumindest der Großteil der Voraussetzungen dafür da ist.

Zunächst einmal muss man löblicherweise feststellen, dass von dem Druck, der bei einer solch teuren, von langer Hand geplanten und aufwendigen Produktion schon mal entstehen kann, bei der unter anderem der Berliner Alexanderplatz abgesperrt wurde, im Piloten nichts zu spüren ist. Ganz unaufgeregt dient die erste Episode von Babylon Berlin nicht als actiongeladener Teaser, der uns heiß machen soll auf alles, was da noch kommen mag, sondern als sorgfältiges Herantasten an die Charaktere und die Atmosphäre der düsteren, aber dennoch lebhaften Berliner Welt der 1920er Jahre.

Im Zentrum des uns präsentierten Ausschnitts dieser Welt scheint der ursprünglich aus Köln stammende Kriminalkommissar Gereon Rath zu stehen, der zusammen mit seinem korpulenteren und ungleich kompromissloseren Kollegen Bruno Wolter in den Untiefen der Berliner Pornofilmindustrie ermittelt. Ohne dabei zu sehr ins Detail gehen zu wollen, weil man es zum jetzigen Zeitpunkt wohl auch noch gar nicht wirklich kann, führen sie ihre Recherchen rasch in einen Pädophilenring, der bis hierhin allerdings recht undurchsichtig bleibt.

Die Serie nimmt sich die Zeit, der zu Beginn viel interessanteren Frage nachzugehen, mit wem wir es hier eigentlich zu tun haben. Auch wenn das Rad sicherlich nicht neu erfunden wird, wenn man zwei Ermittler miteinander kombiniert, die auf dem Papier nicht wirklich zusammenpassen, so entwickelt sich schon in den ersten Minuten eine ganz nette Chemie zwischen den beiden. Schnell wird klar, dass sie beileibe nicht die Einzigen sind, die in der Nachkriegszeit mit verschiedenen Traumata zu kämpfen haben.  Während Wolter eine harte Schale um sich herum aufbaut und in seinen Verhören auf übermäßige Gewalt setzt, wirkt Rath fast etwas zerbrechlich. Infolge seines unglücklichen Umgangs mit Schusswaffen erleidet er sogar einen Panikanfall und kann diesen nur mit Medikamenten behandeln, die er sich illegal bei einem befreundeten Kölner Apotheker besorgen muss. Als Rath dann auch noch einen geheimnisvollen Anruf nach Köln tätigt, der ihn auf den ersten Blick zu einem potenziellen schwarzen Schaf innerhalb der Polizei machen könnte, wird uns klar, dass wir über ihn bis hierhin einfach zu wenig wissen, um so etwas wie ein abschließendes Urteil über ihn fällen zu können.

Etwas weniger Fragezeichen tun sich dagegen bei der Charakterisierung der weiblichen Hauptfigur Lotte Ritter auf. Sie wird uns präsentiert als einziger Funken Hoffnung ihrer ärmlichen Familie, für die sie alles tun und jeden noch so kleinen Job annehmen muss, vor allem um für ihre kranke Verwandtschaft zu sorgen. Wo es die Serie in weiten Teilen geschafft hat, die Dialoge so zu gestalten, dass sie nicht „unangenehm“ wirken, kamen sie in Lottes Szenen bei mir leider oft genau so an. Das mag an dem meiner Meinung nach nicht sehr authentischen Berliner Dialekt der Schauspielerin liegen, vielleicht hat man aber auch die Drehbücher nicht genau genug auf sie abgestimmt. Ebenso empfand ich Lottes zufälligen „Aufeinanderprall“ mit Rath als schwächste Szene der Episode. Jedoch hält auch ihr Charakter am fulminanten Ende der Folge noch eine Überraschung bereit, als sie einen älteren Herren in den Keller des Berliner Nachtclubs „Moka Efti“ führt und ihm dort all seine kühnsten SM-Träume erfüllt – für Geld versteht sich.

Es ist für mich aber die Szene zuvor, die ausgiebige Darstellung dieser Mischung aus Musikkonzert und Aktionskunst, die mir aus den 90 Minuten am besten im Gedächtnis geblieben ist. Und obwohl sie die angedeutete Handlung wohl keinen Zentimeter voranbringt, ist die Aufführung von „Swetlana“ der wohl wichtigste Moment dieser Pilotepisode, weil alles dadurch so viel mehr Herz, so viel mehr Atmosphäre erhält, was einen Babylon Berlin richtig fühlen lässt. Und das ist doch erstmal das Zentrale, weil es auch der Grund ist, was einen wieder einschalten lässt. Wie zu diesen wilden Szenen auf der Tanzfläche dann irgendwann auch der Überfall eines Zuges, die sowjetische Botschaft sowie die Stadt Istanbul passen, erfahren wir dann hoffentlich nächste Woche.


Babylon Berlin läuft immer freitags um 20.15 Uhr auf Sky One und ist dort auch auf Abruf verfügbar.