Ich mache mir während des Schauens ja immer kleine Smileys neben meine Notizen zu jeder Episode, und in dieser Woche waren es besonders viele, bei denen die Mundwinkel stein nach unten gezeigt haben. Das ist aber keinesfalls dem geschuldet, dass mir „Fall“ nicht gefallen hat, sondern eher dem, dass das die mit Abstand traurigste Episode war, die es in Better Call Saul je zu sehen gab.

Das liegt zum großen Teil natürlich an Jimmy, dessen Transformation hin zu scheinbar gewissenlosen Saul Goodman aus Breaking Bad unaufhaltsam voranschreitet. Um seine Ziele, in denen sich nach wie vor immer noch gute Intentionen erkennen lassen, zu erreichen, macht er in dieser Woche noch nicht einmal vor einer seiner früheren Klientinnen Irene, einer gutherzigen älteren Dame, halt. Aber auch auf andere Charaktere trifft der Titel „Fall“ zu. Mike unterschreibt gewissermaßen den Pakt mit dem Teufel, die Freundschaft zwischen Chuck und Howard scheint nicht mehr zu retten zu sein und Kim bekommt auf tragische Weise die Konsequenzen aus ihrer Überbelastung zu spüren.

Aber beginnen wir mit Mike. Jeder Breaking-Bad-Fan wurde bestimmt ähnlich wie ich ganz wuschig, als nach und nach klar wurde, in wessen Warteraum er auf wen wartet. Aber spätestens als wir deutsche Telefonisten im Hintergrund hören und die Kamera geschickt über den „Madrigal“-Schriftzug schwenkt, wissen wir, dass Mike gleich Lydia Rodarte-Quayle treffen wird, die wir zwar schon kurz zusammen mit Gus gesehen haben, jetzt aber wieder vollständig „back in the game“ ist. Ich weiß nicht, was es an ihr ist, aber irgendwie empfinde ich ihre Rückkehr noch ein bisschen cooler, als das noch bei Huell und Krazy-8 zum Beispiel war. Liegt vielleicht daran, dass Lydia in einer Zeit eingeführt wurde, in der Breaking Bad seinen absoluten Höhepunkt erreicht hatte und dann auch bis zum bitteren Ende von „Heisenberg“ eine große Rolle spielte. Witzig übrigens auch, dass Laura Fraser nach ihrem Mini-Auftritt in Folge 6 ein kurzes Interview gegeben hat, in dem sie gesagt hat, dass sie nicht weiß, ob sie in der nächsten Staffel mal wieder zu sehen sein wird. Sie war also so ziemlich die letzte, die ich in dieser Staffel nochmal erwartet hätte, deswegen war mein Staunen umso größer. Well played, Miss Fraser.

Mike ist also auf Gus‘ Wunsch hin nach Houston zu „Madrigal“-Headquarters gefahren, um ihm dort sämtlichen Papierkram zu ermöglichen, der Mike dabei hilft, sein Geld zu waschen, und Gus eine treue und mehr als fähige rechte Hand verschafft. Mike wirkt aber nach wie vor eher skeptisch, er ist niemand, der sein Schicksal gerne in die Hände von anderen legt. Lydia schlägt ihm erst die Position als „Logistics Consultant“ vor, auf Mikes Wunsch hin nennt sich sein Posten aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Polizist aber schließlich „Security Consultant“, den Titel sollte er dann auch behalten, bis ihm Hank Schrader eines Tages auf die Schliche kommt und ihn dazu befragt. Geht es nach Lydia, ist seine Besorgnis in Anbetracht der Größe von „Madrigal“ aber unberechtigt – außerdem hält sie große Stücke auf ihren Geschäftspartner: „[Drug dealer?] If that’s all you think he is, then you don’t know Gustavo Fring.“ Lydia spielt wohl darauf an, dass es Gus nicht gerecht wird, nur als Drogendealer bezeichnet zu werden. Drogendealer sind Leute wie Tuco oder Krazy-8, Gus ist gefährlicher Groß-Krimineller, vorsichtiger Geschäftsmann und politisch engagierter Privatmann alles in einer Person. Es war interessant, Mike und Lydia in ihrem ersten längeren Dialog miteinander zu sehen, weil in Breaking Bad klar zu spüren ist, dass diese zwei Figuren eine bewegte Vergangenheit miteinander haben. Wer werden nach und nach hoffentlich noch erfahren, warum Mike in Breaking Bad über Lydia meint: „This woman deserves to die as much as any man I know.“

Auch die Cartel-Storyline um Nacho teasert ein letztes Mal an, auf was wir uns im Staffelfinale nächste Woche wohl vorbereiten müssen. Wie wir aus „Sabrosito“ ja wissen, ist Hector bei Cartel-Boss Don Eladio ziemlich in Misskredit geraten, weil er in allen seinen Methoden zu sehr „old school“ agiert und Gus‘ modernere Herangehensweisen effizienter sind. Das alles schaukelt sich dann so sehr hoch, dass Hector – nachdem Mike sein komplettes Transport-System zum Erliegen brachte – Gus mehr oder weniger dazu gezwungen hat, auch noch seinen Transport durch die „Los-Pollos-Hermanos“-Trucks zu übernehmen. Dem Telefonat mit Juan Bolsa können wir entnehmen, dass Gus auch das makellos geschafft hat, ohne große Aufmerksamkeit der Polizei zu erzeugen. Im Gegenteil, Gus‘ Transport, der anscheinend über seine Heimat Chile funktioniert, entpuppt sich für das Cartel als wesentlich effektiver, von nun an soll alles über diesen Weg angeliefert werden.

All das Lob für seinen Erz-Rivalen Gus bringt Hector fast schon zum Überschäumen und es scheint so, als würde er auf die direkte Anweisung von Bolsa – auf Deutsch gesagt – scheißen: „Fuck Eladio, fuck Bolsa and fuck you!“ Das wiederum würde bedeuten, dass er seinen Plan, künftig wieder selbst seinen Transport über das Geschäft von Nachos Vater Manuel übernehmen zu wollen, noch schneller umsetzen will, was die Luft für Nacho noch dünner macht. Sein Plan mit den ausgetauschten Pillen muss möglichst schnell Früchte tragen, sonst könnte es für seinen Vater zu spät sein, in dieser Woche klappt es nämlich noch nicht. Als Hector seinen Wutanfall bekommt, wird die Musik zwar dramatischer und wir denken, dass es jetzt passiert, allerdings scheint sich sein Herz noch einmal zu beruhigen oder die Tabletten wirken mit dem Placebo-Effekt.

Auch wenn es in dieser Serie nahezu unmöglich ist, eine der sich sehr unterscheidenden Storylines über andere zu stellen, so muss ich doch immer wieder zugeben, dass die Szenen mit Nacho irgendwie immer was ganz besonderes sind. Ich finde, dass Michael Mando einfach so ein überragender Schauspieler ist, und seit Dienstag wissen wir, dass das auch auf Juan Carlos Cantu zutrifft, den Darsteller von seinem Vater Manuel. In einer rührenden Szene, in der so viel ausgesagt wird, auch was gar nicht wirklich wörtlich gesagt wird, bereitet Nacho seinen Vater auf Hectors Plan mit dem Geschäft vor. Als Nacho meint „I’ve been working for them again“, dann steckt da so viel Geschichte in dem Satz: Ich kann mir gut vorstellen, wie Nachos Mutter früh in seiner Kindheit gestorben ist und sein Vater alles dafür getan hat, mit ihm alleine irgendwie über die Runden zu kommen. Nacho aber scheint immer wieder (mit Freunden wie Krazy-8) auf die falsche Bahn gekommen zu sein, Manuel war aber immer wieder erfolgreich, ihn zur Vernunft zu bringen. Jetzt, wo er keine Kontrolle mehr über seinen Sohn hat, scheint es zu spät zu sein.

Als Nacho den Namen „Hector Salamanca“ sagt, ist Manuels Gesicht sofort von Enttäuschung und Fassungslosigkeit gezeichnet, denn er weiß, in welche Lage ihn sein Sohn damit gebracht hat. Unter Tränen fordert Nacho ein Versprechen seines Vaters, dass er nichts Dummes unternimmt; die Betonung dieser Sätze und dass Manuel nie wirklich darauf antwortet, weil er sich selbst wahrscheinlich noch nicht sicher ist, könnten dafür sprechen, dass wir Manuel in dieser Staffel nicht zum letzten Mal gesehen haben und er in der Tat etwas „Dummes“ planen könnte. Ich finde diese Beziehung der beiden einfach faszinierend und musste die Szene gleich mehrmals schauen; sollte Papa Varga oder Nacho selbst etwas passieren, wäre das einfach nur tragisch. Manuel wirkt noch nicht mal wirklich sauer, er ist viel mehr enttäuscht, was ich persönlich bei Eltern nochmal tausendmal schlimmer finde. So ein kleines Detail, wie dass Nacho sein Glas Milch extra nochmal auswäscht, obwohl ihn sein Vater kurz davor rausgeschmissen hatte, sprechen wiedermal absolut für die Macher von Better Call Saul. Nur mit solchen kleinen Gesten ist es möglich, in einer so kurzen Zeit, die diese beiden Charaktere auf unseren Bildschirmen verbracht haben, so eine emotionale Bindung herzustellen, wie sie das bei mir auf jeden Fall geschafft haben.

Nicht nur Nacho und sein Vater, auch für Chuck und Howard ändern sich in „Fall“ völlig die Vorzeichen ihrer Freundschaft. Die beiden erhalten im Besuch der Versicherungs-Angestellten die schockierende Nachricht, dass sich aufgrund von Chucks Zusammenbruch in der Anhörung und der dadurch entstandenen Zweifel an seiner geistigen Gesundheit die Kosten für alle Anwälte, die für HHM arbeiten, drastisch erhöhen. Während Chuck in die Offensive geht und androht, gegen die Versicherung juristisch vorgehen zu wollen, wirkt Howard wie vor den Kopf gestoßen. Und diese Reaktion ist ja irgendwie nur menschlich: Nach dem Tod seines Vater steht er in der Verantwortung, für das Wohl der Firma mehr oder weniger alleine zu sorgen, weil mit Chuck aufgrund seiner Störung nicht zu rechnen ist. Und jetzt stellt sich Chuck auch noch als Gefahr für die Firma heraus, weil er durch seine private Fehde mit Jimmy zu einem riesigen Faktor wurde, der die Finanzen und den guten Ruf der Firma beeinträchtigt.

Als Howard das realisiert, bringt er erstmals das Thema auf, ob es nicht besser für alle Beteiligten wäre, wenn Chuck als Senior Partner zurücktritt. Der Besuch der Versicherung sei „the straw that broke the camel’s back“, Chuck könne ja ein Buch schreiben oder als Jura-Professor Vorlesungen an der Uni halten und so seiner großen Leidenschaft, dem Recht, erhalten bleiben. Chuck reagiert erwartungsgemäß aufgebracht und versucht Howard zu beweisen, dass es ihm wieder gut ginge, indem er das Licht anmacht und die Tischlampe in die Hand nimmt. Howard nennt Chuck aber schließlich – wie sich das ja in der gesamten Staffel schon andeutet – „unpredictable“ und gesteht, dass er seinem Urteil nicht mehr vertraut.

Als Howard dann schon damit rechnet, dass Chuck zur Vernunft gekommen ist und ihm einen Kündigungsbrief geschickt hat, plant er schon dessen große Abschiedsparty und ist erleichtert. Er findet jedoch sehr zu seinem Schock stattdessen einen Brief vor, in dem Chuck die Firma HHM verklagt. Howard konfrontiert Chuck später in seinem wieder vollständig mit Elektronik ausgestatteten Haus damit und es wird klar, dass Chuck HHM lieber in den Ruin ziehen würde, als sich aus freien Stücken zurückziehen zu wollen. Sollten sie ihn rauswerfen wollen, so müssten sie ihm acht Millionen Dollar für seinen Teil der Firma zahlen, wobei Chuck genau weiß, dass diese nicht über so große Rücklagen verfügt. Als Howard dann aber wieder das Haus verlässt, erkennen wir, dass Chuck die Symptome seiner Krankheit noch immer spürt und keineswegs geheilt ist. Michael McKean sagt immer wieder, dass Chuck Jimmy in seiner „Gewieftheit“ in nichts nachsteht, er sei ein ebenso großer Manipulator wie sein Bruder, und das wird hier wieder deutlich.

Genau dieser Bruder fällt in „Fall“ jedoch am tiefsten. Ich habe letzte Woche ja schon geschrieben, dass Jimmy nach seiner Rückkehr in alte „Slippin‘-Jimmy“-Tage an einem neuen Tiefpunkt angekommen ist, aber da hatte ich noch keine Ahnung, was in dieser Woche auf uns zukommt. Die Macher hätten den immer größer werdenden Verfall von Jimmys moralischem Gewissen nicht eindrucksvoller darstellen können, als ihn das Leben der hilflosen Oma Irene und ihrer Freundinnen auf den Kopf stellen zu lassen und sie als nichts ahnende Puppen in seinem Plan zu verwenden.

Jimmy braucht nach wie vor Geld. Erinnern wir uns zurück an die ersten beiden Staffeln, dann konnte einem der „Sandpiper-Crossing“-Fall einfallen, den er ja einst selbst entdeckt, bearbeitet und schließlich an HHM abgegeben hat, wobei er natürlich zum nicht unwesentlichen Teil an den entstehenden Gewinnen beteiligt wurde. Die aktuelle Situation sieht aber so aus, dass HHM den Fall wohl über Jahre hinweg langzieht, um die Gewinne für die Firma am Ende möglichst groß zu machen. Das ist völlig fernab von Jimmy natürlich auch schon zumindest ein Stück weit unmoralisch, weil HHM genau weiß, dass es in Anbetracht des Alters der Kunden gut möglich ist, dass sie sterben könnten, bis sie das Geld tatsächlich sehen. Die Einzige, die daran was ändern kann, ist Irene Landry, die sowas wie die Vorsitzende aller Geschädigten des Altersheims ist. Sie könnte das Angebot des Heims, den Senioren sämtliche Kosten zu erstatten, annehmen, anstatt auf eventuelle spätere Schadensersatzzahlungen zu warten, was ihre Anwälte favorisieren.

Jimmy braucht aber Geld im Hier und Jetzt, und so greift er zu verzweifelteren Mitteln als je zuvor. Er umgarnt seine ehemaligen Klientinnen, spielt seinen Charme aus und bringt ihnen Kekse – und will den Frauen so klar machen, dass sofortiges Geld immer besser ist als Geld, auf das man noch ewig warten muss. Dieser Ratschlag, der natürlich auch ihm immens helfen würde, ist ja gar nicht so verkehrt und auch nicht so verwerflich wie das, mit welchen Methoden er seinen Plan umsetzt. Als er sich bei Howard nochmal darüber versichert, dass HHM definitiv kein Interesse daran hat, das bestehende Angebot des Altenheims anzunehmen, vergleicht er Jimmy mit Gollum (die Serie spielt ja in 2003, wo die Herr-der-Ringe-Reihe gerade ihren Höhepunkt erlebt hat) und bemitleidet ihn für seine Ausrede, dass es ihm um die Frauen ginge, weil er weiß, dass Jimmy sich nur selbst bereichern will (und muss).

Jimmy greift daraufhin direkt in die Gruppendynamik der Frauen ein, als er Irene beim „Mall-Walking“ von ihren Freundinnen trennt und ihr ein Paar neuer teurer Laufschuhe schenkt. Zur gleichen Zeit begleitet er hinter ihrem Rücken ihre Freundinnen in die Gymnastikstunde und in den Schönheitssalon, wo er auf diese einredet, dass sie Druck auf Irene machen sollen. An ihren neuen Schuhen begründet er, dass es ihr finanziell sehr gut ginge und sie das Geld eigentlich gar nicht brauchen würde, wodurch sie kein Interesse daran hätte, das Angebot des Seniorenheims anzunehmen. Daraus ergibt sich dann, dass sich die Damen immer mehr von Irene abwenden. Es ist fast schon schwer gewesen, dabei zuzusehen, wie Irene in der Shopping Mall von ihren Freundinnen bewusst gemieden wird, weil sie zu Jimmys nichts ahnenden Opfer in seinem Plan wurde.

Den Höhepunkt erreicht diese Entwicklung dann beim „Bingo“-Spielen. Jimmy manipuliert dazu im Vorfeld sowohl die Kugeln, als auch die Spieltafel, die er Irene zukommen lässt. Wie schon in Staffel 1 moderiert Jimmy diese Veranstaltung (wo wir Irene damals übrigens schon gesehen haben) und wenig überraschend lautet seine erste Gewinnerin auch schon: Irene. Als sie dann nach vorne tritt, erhält sie aber keinen Applaus, weil jeder denkt, dass sie den Gewinn am wenigsten von allen verdient hat. Unter Tränen verlässt sie die Bühne und schüttet Jimmy ihr Herz aus, wie sehr sie darunter leidet, dass ihre „Freundinnen“ auf diese Weise – und scheinbar aus dem Nichts – so mit ihr umgehen („They have all turned on me!“, „They’re so cold!“, „It’s so cruel and I don’t even know why.“). Jimmy scheint zumindest nicht unbewegt zu sein, als er ihr den Ratschlag „You listen to your heart“ gibt, hatte ich schon einen Hauch Hoffnung, dass er das Ganze vielleicht jetzt doch bereut.

Doch diese Hoffnung macht Jimmy direkt in der nächsten Szene sofort wieder zunichte, als er in Partylaune und einer Flasche Tequila zurück ins Büro zu Kim kommt und mit ihr seinen „Siegeszug“ gebührend feiern will. Einen schlechteren Zeitpunkt könnte er bei ihr jedoch gar nicht erwischen, weil die eh schon völlig ausgelastete Kim mit dem „Gatwood-Oil“-Fall nun ein weiteres aufwendiges Projekt übernommen hat. Noch dazu muss es in diesem Fall schnell gehen, weil das Treffen zwischen Billy Gatwood und den Verantwortlichen von der Steuer schon in 14 Tagen stattfindet. Jimmy benimmt sich in dieser Szene wirklich wie der letzte Vollidiot, er könnte an Kims Leben nicht weniger Interesse zeigen, stattdessen stellt er seinen eigenen „Erfolg“ einfach rücksichtslos nach vorne. Es ist ja nicht so, dass Kim seit Wochen Extra-Schichten schiebt, um vor allem seine Kosten auszugleichen. Ginge es nach ihr, wäre sie eh schon längst aus dem teuren Büro ausgezogen und hätte Francesca entlassen, aber um das alles zu stemmen, muss sie eben arbeiten wie ein Tier. Wäre Jimmy ein zuvorkommender Partner, dem es vorrangig um das Wohl von Kim geht, hätte er außerdem angeboten, sie zumindest zu ihrem Termin zu fahren, als er merkt, wie hektisch sie wirkt.

Hätte er das mal nur gemacht. Mit spürbar viel Koffein im Körper fährt Kim also selbst zu ihrem Termin, geht dabei nochmal ihre Argumentationskette durch und es kommt dazu, wozu es eigentlich kommen musste. In einem kurzen Moment der Stille kann sie ihre Müdigkeit nicht länger kaschieren und sie schläft am Steuer ein. Der Unfall selbst geschieht so schnell und trotz all der Anzeichen, die es im Vorfeld gab, so überraschend, weil der Schnitt einfach unglaublich gut gemacht ist. Der Ton alleine reißt einen selbst richtig aus dem Stuhl. Dass man in der Szene fast schon damit gerechnet hat, ist aber keine Kritik, sondern eher ein Lob für das Autorenteam, das uns seit Wochen begründet, warum dieser Crash genau hier und jetzt passiert und wie sich das schon zuvor abgezeichnet hat.

Bereits zuvor in der Folge kommt es bei der Öl-Anlage ja schon dazu, dass Kims Auto erst im Sand stecken bleibt und sie es dann fast in eine der Maschinen schiebt. Die Szene verdeutlicht zum einen, dass sie alles selbst machen will, und zum anderen, dass sie vom rechten Weg abzukommen scheint. Aber es lohnt sich, noch viel weiter zurück zu schauen in der bisherigen Staffel. Sehr ähnlich geschnitten ist nämlich die Szene, als sie kurz vor ihrem Termin mit Paige nochmal für eine Minute kurz im Auto einschläft, um dann unsanft vom Wecker aus dem Schlaf gerissen zu werden. Diese beiden Szenen – zusammen mit ihrem konstant anwesenden Stress-Level natürlich – funktionieren unheimlich gut als „Forshadowing“, was das Autorenteam ja schon in Breaking Bad das ein oder andere Mal angewendet hat.

Und was dürfen wir jetzt nächste Woche vom Finale erwarten? Kims Verletzungen scheinen zwar relativ gering zu sein, trotzdem wird sie aber wohl ins Krankenhaus müssen. Möglich, dass sie dort über gewisse Dinge nachdenkt. War es richtig, mir so viel zuzumuten? Warum war das eigentlich nötig? Bei dieser Frage wird sie dann spätestens auf Jimmy kommen.

Ich könnte mir auch gut verstellen, dass sich Jimmys Story mit der von Chuck und Howard verstrickt. Vielleicht findet ein Umdenken seitens Howard bezüglich „Sandpiper Crossing“ statt? Vielleicht sieht er keine andere Wahl, als die acht Millionen Dollar für Chucks Entschädigung tatsächlich zu bezahlen. Dafür bräuchte HHM aber Geld – vielleicht durch Sandpiper Crossing? Unberechenbar ist natürlich, was Irene macht? Vielleicht spricht sie sich mit ihren Freundinnen aus, sie kommen Jimmy auf die Spur und lassen den Fall als Zeichen ihrer Freundschaft komplett fallen und jeder geht leer aus? Irgendwie kann ich mir Jimmy mit so viel Geld nämlich nicht vorstellen, wobei er irgendwann wieder einigermaßen viel braucht, wenn er sein Büro als Saul Goodman bezieht.

Bei der Cartel-Storyline habe ich oben ja schon angedeutet, dass ich tatsächlich glaube, dass Nachos Vater einen Versuch starten könnte, etwas Dummes zu machen. Auch wenn es irgendwie lustig wäre, wenn er es am Ende ist, der Hector in den Rollstuhl versetzt, befürchte ich eher, dass dieser Versuch in die Hose gehen würde. Fest steht auf jeden Fall, dass das sehr spannend werden sollte, ich bin extrem gespannt, habe aber auch irgendwie Angst, dass Nacho und Manuel etwas passieren könnte. Einzig bei Mike und Gus bin ich mir im Moment noch gar nicht klar darüber, was das Finale für sie bereit halten könnte. Ich gehe mal davon aus, dass Mike in irgendeiner Form seinen ersten Job für Gus erledigen wird – als „Security Cunsultant“ versteht sich.

Und dann ist da noch der Titel der letzten Folge, „Lantern“, und die anhaltenden Theorien darüber, dass Chuck die Episode nicht überleben könnte. Ich bin mir da ja nicht mehr so sicher, weil mit Kim jetzt schon einer Person ein Unfall passiert ist. Dennoch sind die Zeichen für einen Hausbrand, der von einer Gaslampe, einer „lantern“, verursacht wird, nach wie vor nicht wegzudiskutieren. Wie es dann auch kommt, ich habe ein fast unendliches Vertrauen in Vince Gilligan und Peter Gould, dass sie auch diese Staffel gebührend beenden werden.


Die neuen Folgen der dritten Staffel von Better Call Saul gibt es jeden Dienstag bei Netflix.